Angehörigenpflege: Unterstützung für pflegende Familienmitglieder
- Nicole Blümel
- 21. Mai 2024
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. März
Die Pflege eines Angehörigen ist eine tiefgreifende Aufgabe, die viel Liebe, Geduld und Einsatz erfordert. Während es eine große Bereicherung sein kann, einen geliebten Menschen zu unterstützen, bringt die Angehörigenpflege auch Herausforderungen mit sich, die physisch und emotional belastend sein können. Pflegende Familienmitglieder stehen oft vor der schwierigen Aufgabe, die Pflege mit ihren eigenen Lebensbedürfnissen in Einklang zu bringen.
In diesem Artikel beleuchten wir verschiedene Möglichkeiten, wie pflegende Familien Unterstützung finden können, um diese wichtige Rolle bestmöglich zu erfüllen. Wir bieten praktische Tipps und Ressourcen, die helfen, die Belastung zu mindern und sicherzustellen, dass sowohl Pflegebedürftige als auch Pflegende die nötige Fürsorge und Unterstützung erhalten.
Was versteht man unter Angehörigenpflege?
Unter Angehörigenpflege versteht man die Betreuung und Versorgung eines kranken, behinderten oder älteren Familienmitglieds durch nahe Verwandte oder enge Freunde. Diese Form der Pflege erfolgt meist im häuslichen Umfeld des Pflegebedürftigen und kann von einfachen Unterstützungsleistungen im Alltag bis hin zu medizinischer und vollumfänglicher Pflege reichen. Die pflegenden Angehörigen übernehmen dabei eine Vielzahl von Aufgaben, darunter Haushaltsführung, Verwaltung von Medikamenten, Unterstützung bei der Körperpflege, Organisation medizinischer Termine sowie emotionale Betreuung.
Angehörigenpflege ist oft eine persönliche Entscheidung, die auf familiären Bindungen und dem Wunsch basiert, für ein geliebtes Familienmitglied in einer vertrauten Umgebung zu sorgen. Sie stellt jedoch auch eine große Herausforderung dar, da sie erhebliche körperliche, emotionale und finanzielle Belastungen mit sich bringen kann. Die Unterstützung durch professionelle Dienste und Gemeinschaftsressourcen ist daher entscheidend, um eine ausgewogene und nachhaltige Pflegesituation zu gewährleisten.
Angehörigenpflege - ist das etwas für mich?
Die Entscheidung, ein hilfe- oder pflegebedürftiges Familienmitglied zu Hause zu pflegen, ist eine bedeutende und oft lebensverändernde Wahl. Viele Menschen bevorzugen es, so lange wie möglich in der vertrauten Umgebung ihres eigenen Zuhauses zu bleiben, was die häusliche Pflege durch Angehörige zu einer bevorzugten Option macht. Doch bevor man sich für diese Art der Pflege entscheidet, sollten mehrere wichtige Aspekte bedacht werden.
Zunächst ist es entscheidend, dass die Person, die die Pflege übernehmen möchte, wirklich dazu bereit ist. Dies umfasst nicht nur die zeitliche Verfügbarkeit, sondern auch die emotionale und physische Kapazität, die Pflegeaufgaben zu übernehmen. Pflegende Angehörige müssen oft viele Herausforderungen meistern, die sowohl körperlich als auch psychisch belastend sein können. Daher ist es wichtig, dass sie über ausreichend Ressourcen verfügen, um nicht nur die Pflegebedürftigen, sondern auch sich selbst zu schützen.
Die Realität der Angehörigenpflege in Deutschland zeigt, dass knapp ein Viertel der Erwachsenen jemanden kennt, der Hilfe und Pflege benötigt, und dass die Mehrheit der Pflegenden weiblich ist. Diese Pflegeverantwortung wird häufig zusätzlich zu beruflichen Verpflichtungen und der Erziehung von Kindern übernommen. Insbesondere für diejenigen, die sich in einer "Sandwichposition" befinden, können die Anforderungen der Pflege überwältigend sein und zu einer Vernachlässigung eigener Bedürfnisse führen, was wiederum die Gesundheit gefährdet.
Die Vereinbarkeit von häuslicher Pflege und Berufstätigkeit ist eine weitere große Herausforderung. Pflegende Angehörige finden sich oft in der Situation, dass sie ihre Arbeitszeiten reduzieren oder ihre Karriere ganz aufgeben müssen, um Pflegeleistungen zu erbringen. Dies kann zu finanziellen Einbußen und einem Mangel an sozialer Sicherheit führen. Daher ist es wichtig, Unterstützungsmöglichkeiten wie professionelle Pflegedienste, flexible Arbeitsbedingungen und staatliche Unterstützungsleistungen wie das Familienpflegegeld zu erwägen.
Bevor man sich für die Rolle eines pflegenden Angehörigen entscheidet, sollte man also sorgfältig prüfen, ob die notwendigen Voraussetzungen in Bezug auf Zeit, Gesundheit und finanzielle Sicherheit erfüllt sind. Es ist auch entscheidend, realistisch zu bewerten, wie diese Entscheidung das eigene Leben und das der Familie beeinflussen wird. Sich Unterstützung zu suchen, sei es durch professionelle Dienste, Beratung oder innerhalb der Familie, kann dazu beitragen, diese wichtige Aufgabe zu bewältigen.
Finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige
Die finanzielle Unterstützung spielt eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung, häusliche Pflege zu leisten. In Deutschland bietet die Pflegeversicherung verschiedene Leistungen an, um diejenigen zu unterstützen, die sich für die Pflege eines Angehörigen entscheiden. Zwei zentrale finanzielle Hilfen sind das Pflegegeld und das Pflegeunterstützungsgeld.
Pflegegeld für häusliche Pflege
Das Pflegegeld ist eine Leistung der Pflegeversicherung, die pflegebedürftigen Personen gewährt wird, wenn sie von Angehörigen, Freunden oder ehrenamtlich Tätigen zu Hause gepflegt werden. Voraussetzung für den Erhalt des Pflegegeldes ist, dass die häusliche Pflege sicher und zuverlässig durchgeführt wird und mindestens Pflegegrad 2 vorliegt. Der pflegebedürftigen Person wird das Pflegegeld direkt von der Pflegekasse überwiesen und kann von ihr frei verwendet werden, um die pflegenden Personen finanziell zu entlasten. Das Pflegegeld ist je nach Pflegegrad gestaffelt:
Pflegegrad 2: 332 Euro pro Monat
Pflegegrad 3: 573 Euro pro Monat
Pflegegrad 4: 765 Euro pro Monat
Pflegegrad 5: 947 Euro pro Monat
Das Pflegegeld kann mit ambulanten Pflegesachleistungen kombiniert werden und wird auch während der Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege für begrenzte Zeiträume weitergezahlt, allerdings oft in halber Höhe.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung und Pflegeunterstützungsgeld
Beschäftigte haben das Recht, sich bis zu 10 Arbeitstage von der Arbeit freistellen zu lassen, um die Pflege für einen plötzlich pflegebedürftigen Angehörigen zu organisieren. Diese kurzzeitige Arbeitsverhinderung steht jedem Beschäftigten zu, unabhängig von der Größe des Unternehmens. Während dieser Zeit bleibt der Schutz in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bestehen.
Das Pflegeunterstützungsgeld dient als finanzieller Ausgleich für entgangenes Gehalt während dieser Zeit und beträgt 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts. Es ist darauf ausgelegt, die ersten Tage der Pflegeorganisation zu überbrücken und finanzielle Einbußen zu minimieren.
Zinsloses, staatliches Darlehen
Zur finanziellen Unterstützung während der Pflegezeit oder Familienpflegezeit können pflegende Angehörige ein zinsloses Darlehen vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Anspruch nehmen.
Pflege & Beruf - Wie lässt sich das vereinbaren?
Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf stellt für viele Beschäftigte eine große Herausforderung dar. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, existieren in Deutschland spezifische gesetzliche Regelungen wie die Pflegezeit und die Familienpflegezeit, die berufstätigen Angehörigen ermöglichen, ihre Pflegeverpflichtungen mit ihrer beruflichen Tätigkeit zu koordinieren.
Pflegezeit
Das Pflegezeitgesetz ermöglicht es Beschäftigten, sich bis zu sechs Monate von der Arbeit freistellen zu lassen, um in der häuslichen oder außerhäuslichen Umgebung einen Angehörigen zu pflegen oder ihn in der letzten Lebensphase zu begleiten. Dieser Anspruch ist unabhängig vom Pflegegrad des Angehörigen. Während der Pflegezeit besteht ein Sonderkündigungsschutz, allerdings wird die Freistellung nicht vom Arbeitgeber bezahlt. Ein Anspruch auf Pflegezeit besteht nur in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten.
Familienpflegezeit
Im Rahmen der Familienpflegezeit können sich Beschäftigte für bis zu 24 Monate teilweise von der Arbeit freistellen lassen. Während dieser Zeit müssen sie eine Mindestarbeitszeit von durchschnittlich 15 Stunden pro Woche leisten. Auch hier ist der Anspruch unabhängig vom Pflegegrad des Angehörigen und gilt in Betrieben mit mehr als 25 Beschäftigten. Die Anmeldung der Familienpflegezeit muss mindestens acht Wochen vor Beginn erfolgen, und die Details der Arbeitszeitverteilung sollten schriftlich festgehalten werden.
Kurzzeitige Arbeitsverhinderung & Pflegeunterstützungsgeld
Bei akuter Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen haben Beschäftigte das Recht, sich bis zu 10 Arbeitstage kurzfristig freistellen zu lassen. Während dieser Zeit haben sie Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld, das als Lohnersatz dient und 90 Prozent des Nettoarbeitsentgelts beträgt.
Soziale Absicherung während der Pflegezeit Pflegende Angehörige genießen während der Pflegezeit weiterhin soziale Absicherung:
Rentenversicherung: Die Pflegekasse übernimmt die Beiträge zur Rentenversicherung, wenn mindestens zehn Stunden pro Woche gepflegt wird.
Kranken- und Pflegeversicherung: Weiterhin besteht Versicherungsschutz; die Pflegekasse leistet eventuell Zuschüsse.
Unfallversicherung: Pflegende sind kostenfrei gesetzlich unfallversichert, wenn sie nicht erwerbsmäßig pflegen und der Pflegebedürftige mindestens Pflegegrad 2 hat.
Arbeitslosenversicherung: Die Beiträge werden von der Pflegekasse übernommen, solange die oben genannten Bedingungen erfüllt sind.
Sterbebegleitung Beschäftigte können sich auch freistellen lassen, um Angehörige in der letzten Lebensphase zu begleiten, unabhängig davon, ob diese zu Hause oder in einem Hospiz palliativ versorgt werden.
Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige
Die Pflege eines Angehörigen erfordert viel Zeit und Energie. Um die Belastung zu verringern, stehen pflegenden Angehörigen verschiedene Entlastungsmöglichkeiten zur Verfügung, die es ihnen erlauben, ihre beruflichen Verpflichtungen und persönlichen Bedürfnisse besser zu managen:
Stundenweise Seniorenbetreuung:
Unterstützung bei der Körperpflege: Professionelle Betreuungskräfte können bei der täglichen Hygiene und Pflege unterstützen.
Hauswirtschaftliche Hilfe: Unterstützung im Haushalt, wie Reinigungsarbeiten, Wäsche waschen oder Mahlzeiten vorbereiten.
Begleitdienste: Begleitung zu ärztlichen Terminen, zum Einkaufen oder bei anderen Erledigungen außer Haus.
Aktivierungsangebote und Gesellschaft: Engagement in sozialen Aktivitäten, Spielen, Spaziergängen, die geistige und körperliche Aktivität fördern und die Einsamkeit mindern.
Diese Dienste bieten nicht nur notwendige Unterstützung, sondern ermöglichen es Ihnen auch, weiterhin berufstätig zu bleiben und Freizeit für eigene Interessen zu haben.
Verhinderungspflege:
Zweck: Sicherstellung der Pflege, wenn der reguläre Pflegende kurzzeitig verhindert ist.
Budget: Die Pflegekassen stellen ein jährliches Budget von 1.612€ bereit, das für die Finanzierung einer Ersatzpflege genutzt werden kann.
Flexibilität: Das Budget kann für professionelle Pflegedienste oder für private Ersatzpflegepersonen verwendet werden, wenn der pflegende Angehörige aufgrund von Verpflichtungen wie Arztterminen, sozialen Ereignissen oder Freizeitaktivitäten nicht verfügbar ist.
Schulungskurse für Angehörige
Für pflegende Angehörige stellt die korrekte und effiziente Betreuung ihrer Liebsten oft eine große Herausforderung dar. Um sie in ihrer wichtigen Rolle zu unterstützen, bieten Pflegekassen unentgeltliche Schulungskurse an. Diese Kurse sind speziell darauf ausgelegt, Angehörigen das notwendige Wissen und praktische Fähigkeiten für die Pflege zu Hause zu vermitteln.
Quellen:
bundesgesundheitsministerium
verbraucherzentrale
Pflegende Angehörige in Deutschland: Vereinbarkeit von Pflege und Erwerbstätigkeit, Adelheid Kuhlmey & Andrea Budnick, Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2023
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